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George?
»Haben Sie was gesagt, Professor?«
»Wer seid ihr?«
»Staatsanwaltschaft. Taktische Einsatzgruppe die mit den
harten Bandagen. Wenn s kritisch wird, müssen wir ran. Für uns
gibt s keine Grenzen.«
»Quatsch!«
Chandler hatte nicht aufgepasst. Der Große war hinter ihn
getreten und verpasste ihm eine ans linke Ohr. Er hörte etwas
knacken, hörte sich vor Schmerzen aufschreien, bevor er zur
Seite fiel und sein Gesicht fast gegen die Kaffeekanne auf der
Wärmenlatte prallte. Er kam mit der Hand drauf und verbrannte
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sich die Finger, fuhr zurück und hing über der Sessellehne. Sein
Blick ging über die Scherben von Washingtons edlem Kopf auf
dem Parkett. Verdammte Schweine! Er rang nach Luft.
Hoffentlich war sein Trommelfell noch intakt. Sein Ohrinneres
fühlte sich feucht an. Er hatte sich noch mal auf die verletzte
Lippe gebissen.
»Das Bild, Professor«, mahnte Pepitahut.
Er schützte sein Ohr mit der Hand und stöhnte: »Bei Gott, ich
weiß von nichts. Ihr glaubt doch nicht, ich würde das hier
mitmachen, wenn ich bloß das verdammte Ding rausrücken
müsste. Ich weiß von nichts!« Er nestelte an seiner Brille herum,
um sie auf der lädierten Nase zurechtzurücken.
Pepitahut starrte auf ihn herab und schüttelte mit tiefem
Bedauern den Kopf.
»Das wird Ihnen leidtun, Professor«, sagte er. Er sah den
Großen an. Sie wirkten beide völlig unbeteiligt. »Hol die
Zange.«
Pepitahut trat hinter ihn, und Chandler fühlte seine festen
Hände auf den Schultern, die ihn in den Sitz drückten. Sie
wussten, wie ihrem Opfer zu Mute war: Es war geschwächt,
verängstigt und angeschlagen. Der Große nahm seine Pranke aus
der Tasche und kniete sich neben den Sessel. Sein Goldzahn
blitzte im offenen Mund. Chandler hörte seinen angestrengten,
rasselnden Atem.
Plötzlich nagelte die riesige Pranke Chandlers linke Hand mit
flach gespreizten Fingern auf die Armlehne. Chandler wehrte
sich. Ihm wurde speiübel. Ohne die geringste Regung sah der
Große ihm ins Gesicht. Er hielt eine einfache Zange in der
Hand. »Es wird wehtun«, sagte er leise. Chandler bemerkte tiefe
Lachfalten in dem freundlichen Gesicht.
Der andere lockte neben seinem Ohr: »Sie wissen bestimmt
nicht, wo es ist? Es würde Ihnen vieles ersparen & «
Chandlers Schmerz wurde von heilloser Furcht überdeckt.
Sein Atem ging in verzweifelten Stößen. Plötzlich spürte er die
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Arme des Kleinen wie Fassreifen um seinen Hals. Eine seiner
Hände, die nach Big Mac roch, legte sich so fest auf seinen
Mund, dass er nicht zubeißen konnte.
»Bevor Sie alle Ihre Fingernägel los sind, haben wir entweder
das gottverdammte Ding, oder wir sind sicher, dass Sie s nicht
haben«, meinte der Große philosophisch.
Chandler verfolgte, wie die Zange sich auf seine Fingerspitzen
zubewegte. Das Metall blitzte kalt im Lampenlicht und kündigte
weitere Schmerzen an. Das war doch alles nicht möglich! Es
konnte nicht wirklich passieren & Frust und Ärger tobten in
seiner Brust und in seinem Kopf. Er spürte die erste Berührung
der Zange am kleinen Fingernagel. Der Große sah ihn an.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Auf seinem breiten,
teigigen Gesicht lag ein leichtes Lächeln. »Ihre letzte Chance,
Professor. Sie werden gleich kotzen «
Im allerletzten Moment, als die Zange zupackte und der
brennende Schmerz wie ein Blitz Hand und Arm durchzuckte,
als er wusste, dass er es weder aushalten noch verhindern
konnte, schnappte Chandler mit der rechten Hand die Kanne und
schüttete dem Großen den heißen Kaffee voll ins Gesicht.
Der brüllte laut auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen,
während die Zange zu Boden fiel. Der Griff des Kleinen löste
sich überrascht. Chandler sprang auf und schob dabei den
Großen aus der Hocke nach hinten gegen die Kante des
Beistelltischs. Als Chandler um den Tisch herumlief, erwischte
ihn Pepitahut knapp hinten am Morgenmantel. Voller
Verzweiflung riss Chandler den alten Fernsehapparat vom
Ständer und schwenkte ihn in einem knappen, gefährlichen
Bogen, der dort endete, wo er auf den Kopf des Kleinen traf.
Der Bildschirm zersplitterte und die Röhre exolodierte, während
der Mann im Glasregen zurücktaumelte. Pepitahut fiel über den
Sessel.
Die Bildröhre war zerplatzt wie ein Feuerwerkskörper und
hatte das Zimmer mit einem üblen Geruch verpestet. Chandler
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schnappte sich den Sockel, auf dem der arme George gestanden
hatte, riss ihn nach oben und ließ ihn quer über die Brust des
Großen niedersausen, der versuchte, wieder auf die Füße zu
kommen. Sein Gesicht und sein Regenmantel waren braun und
tropfnass vom Kaffee. Er jaulte auf, als ihn der Sockel traf, und
griff sich im Zurückfallen an die Brust. Chandler drehte sich um
und rammte dem Kleinen den Fuß des Sockels ins Brustbein. Er
spürte, wie etwas zerbrach.
Er dachte nicht nach: Er handelte automatisch, wie eine
Maschine, die ihr Überlebensprogramm abspult. Es kam ihm so
vor, als hätte er sich nie so schnell bewegt. Seine Füße in den
Hausschuhen berührten kaum den Boden. Sein Herz war eine
mit Volldampf arbeitende Maschine. Sein Adrenalinausstoß
versorgte ihn mit einem Energieschub, von dem er im Leben nie
geträumt hätte.
Im Nu war er aus dem Zimmer, durch die Eingangstür und an
dem Baum vorbei durch den Vorgarten gelaufen. Mit blutigem
Gesicht, mit offenem Bademantel und dem Schlafanzug
darunter rannte er wie der Teufel rechts die Hawthorne Street
entlang. Erst zwei Querstraßen weiter lief er langsamer, weil er
schmerzhaftes Seitenstechen bekam. Schließlich blieb er, an
einen Briefkasten gelehnt, im gelben Schein der Straßenlampen
stehen. Der Gehsteig war leer. Langsam fuhr ein Auto in
Gegenrichtung an ihm vorbei. Er sah auf seine Rolex. Seine
Beine zitterten, sein Blick war verschwommen, sein Mund
trocken und voller Blutgeschmack. Das Blut gerann ihm auf
dem Gesicht. Als er zurückblickte, sah er keinen Menschen.
Vergeblich versuchte er, wieder zu Atem zu kommen. Ihm
wurde klar, dass sie ihn nicht verfolgten nicht verfolgen
konnten. Er grinste unter Schmerzen in sich hinein, denn er war
zufrieden mit sich und mit seinem Werk. Dann stolperte er die
Brattle Street hinunter, bog nach links in die Mason Street ein
und hielt auf die diffuse Beleuchtung des Radcliffe Courtyard
zu. Er stieg die Treppe zwischen den weißen Säulen hinauf,
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dann wieder hinab in den dunklen Klosterhof, um den sich die
Universitätsgebäude gruppierten. Mit einem letzten Rest an
Würde zog er den Gürtel des alten Bademantels fester und
marschierte entschlossen aus dem Schutz der Büsche ins Freie.
Die leicht diesige Nachtluft war nasskalt. Man konnte seine
Atemwolken sehen. Er fand ein benutztes Kleenex in der Tasche
und tupfte sich damit vorsichtig die Nase ab. Als er über die
Oberlippe leckte, spürte er eine dünne Blutkruste unter den
Nasenlöchern. Er wurde immer noch von seinem
Adrenalinschub getrieben. Seine Beine bewegten sich
automatisch, das Herz klopfte wie wild. Inzwischen war es fast
Mitternacht. Für Uneingeweihte war er ein Mann voller Blut im
Gesicht, der im Bademantel im Radcliffe Courtyard
umherwankte. Sein Ohr brannte wie Feuer. In seinem Haus in
der Acacia Street sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Mein
Gott & Er fing wieder an zu zittern, aber diesmal nicht vor
Angst oder Schmerzen, sondern vor Wut. Vor so immenser Wut,
dass er sich kaum wiedererkannte. In einer Mordsache passiert
immer etwas so hatte sie es ausgedrückt. Aus ihrer Erfahrung
heraus konnte man fast meinen, sie wollte ihn warnen.
Er kam an einem eng umschlungenen jungen Pärchen vorbei,
das sich überhaupt nicht um ihn kümmerte. Chandler war nicht
mehr der Jüngste: Das Stechen in seiner Seite hörte nicht auf,
und er atmete immer noch schwer. Das alles war nichts für ihn.
Als er sich mitten im Innenhof befand, hörte er es Mitternacht
schlagen.
Er setzte sich auf eine Bank und ließ den Kopf eine Weile
zwischen den Knien hängen. Dann lehnte er sich zurück, atmete
tief die Nachtluft ein und wischte sich mit dem Ärmel den
Schweiß vom Gesicht. Er betete, dass ihn kein Wachmann
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